02773 / 94030 praxis@broicher.de

VNS-Analyse (Analyse des vegetativen Nervensystems)

Durch die Messung der Schwankungen der Herzschlagfolge (Herzratenvariabilität) kann der Funktionszustand des vegetativen Nervensystems (VNS) ermittelt werden.

Das vegetative Nervensystem (VNS) ist das übergeordnete Steuer- und Regelsystem des Körpers. Das VNS steuert alle lebensnotwendigen Organsysteme des Körpers, die normalerweise mit dem bewussten Willen nicht beeinflusst werden können. Dazu gehören z.B. der Blutdruck, der Herzschlag, das Atmungssystem, das Verdauungssystem, das Immunsystem, das Hormonsystem usw. Die Kenntnis des Funktionszustandes des VNS ermöglicht, die Ursachen vieler Krankheiten, Funktions- und Befindlichkeitsstörungen oft schon in ihren Frühphasen zu erkennen. Diese Kenntnis wiederum ermöglicht häufig eine ursächliche Behandlung. Im besten Fall kann der Ausbruch einer Krankheit unter Umständen sogar verhindert werden.

Was ist eine VNS-Analyse?

Mit der VNS-Analyse wird der Funktionszustand des vegetativen Nervensystems (VNS) ermittelt. Das VNS ist die oberste Steuerungs- und Regulationszentrale in unserem Körper. Das VNS steuert alle normalerweise nicht willentlich beeinflussbaren Organe und Organsysteme. Dazu gehören z.B. der Herzschlag, das Atmungssystem, das Verdauungssystem, das Hormonsystem, das Immunsystem, den Blutdruck usw.

Das VNS teilt sich in den Sympathikus (Anspannungsnerv) und den Parasympathikus (Erholungs- oder Regenerationsnerv).

Ursprünglich hatte das VNS die Funktion, den Körper auf Kampf und Flucht einzustellen. Wenn also z. B. ein Säbelzahntiger in die Höhle des Urmenschen eindrang, wurde sofort der Sympathikus aktiviert. Dieser Sympathikus erhöhte den Blutdruck, baute maximale Muskelspannung auf und schüttete Zucker ins Blut aus. Der Körper befand sich jetzt in der Lage schnellstmöglich lebensrettend zu reagieren.

Der Parasympathikus, der Entspannungsnerv, wurde gleichzeitig herunter gefahren. Mit ihm alle Systeme, die für Kampf und Flucht nicht benötigt wurden, wie z.B. das Immunsystem, das Hormonsystem, das Verdauungssystem usw. Es wäre nämlich z. B. in einer lebensbedrohlichen Situation nicht angebracht, auf die Toilette zu müssen.

Nach der körperlichen Aktivität (Kampf oder Flucht) wurde der Sympathikus heruntergefahren, gleichzeitig der Parasympathikus (Entspannungsnerv) heraufgefahren. Somit konnte der Körper sich erholen und regenerieren, wieder Kraft „tanken“.

Diese Mechanismen waren zu Zeiten der „Säbeltigergefahr“ ungeheuer hilfreich und unbedingt sinnvoll.

Heutzutage können sich besagte Mechanismen zu einem Problem entwickeln.
Das VNS reagiert auch auf die modernen Stressfaktoren immer noch so, als wenn es auf den bereits zitierten Säbelzahntiger träfe. Allerdings können unter den heutigen Lebensbedingungen die vom Sympathikus in Gang gesetzten Stoffwechselaktivitäten nicht in die eigentlich dafür vorgesehen körperliche Aktivität umgesetzt werden.
Statt dessen steht man im Supermarkt, an er Kasse geht es nicht weiter, die EC Karte funktioniert nicht, man hat noch einen dringenden Termin, die Kinder wollen nicht in den Kindergarten gebracht werden, man kommt deshalb zu spät zur Arbeit, dort hat der Chef ständig etwas auszusetzen usw.usw.
Das Problem hierbei ist, dass das VNS in diesen Stresssituationen den Körper auf Kampf und Flucht vorbereitet, wie damals beim Säbelzahntiger. Es ist heutzutage aber schwerlich möglich, diese Stressfaktoren durch körperliche Aktivität abzubauen. Man sollte mit seinem Chef nicht unbedingt in den Boxring steigen oder im Supermarkt einen Hundertmeterlauf machen.

Dauern die Stresssituationen über einen längeren Zeitraum an, ist es irgendwann für das VNS nicht mehr möglich, den Ausgleich von Ruhe und Erholung (Parasympathikus) und Kampf und Flucht (Sympathikus) herzustellen. Die Kampf- und Fluchtsituation verfestigt sich in unserem Körper zu einem permanenten Dauerstress (Sympathikus ständig aktiv). Dieser permanente Stress lässt den Blutdruck steigen und den Zuckerspiegel im Blut erhöhen (der aber durch keine Muskelbewegung verbraucht wird). Der Sympathikus setzt alle Organe in Spannung und teilweise sogar in Hochspannung. Der Parasympathikus läuft dagegen auf Sparflamme und somit auch das Verdauungssystem, Hormonsystem und das Immunsystem.

Irgendwann ist es dem VNS nicht mehr möglich, die Energiespeicher wieder aufzufüllen und die Kommunikation der Zellen untereinander von Kampf und Flucht auf Entspannung, Regeneration und Erholung umzustellen.

In einer solchen Situation ist es nur eine Frage der Zeit, bis im Körper alle Notaggregate aufgebraucht sind und sich die Störung im VNS als organische Krankheitssymptome manifestieren und chronisch werden.

Wie wird die VNS-Analyse durchgeführt?

Bei der VNS-Analyse werden die Schwankungen der Herzfrequenz zunächst im Ruhezustand analysiert, da diese Schwankungen den Aktivierungszustand des vegetativen Nervensystems widerspiegeln. Dazu werden insgesamt 520 Herzschläge gemessen, und zwar der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Herzschlägen. Wenn hierbei eine Variabilität (unterschiedliche Zeitabstände) zu sehen ist, kann sich der Körper gut auf innere und äußere Reize einstellen. Ist in der HRV Analyse (Messung der Schwankungen der Herzschlagfolge, Herzratenvariabilität) keine Variabilität zu erkennen, bedeutet das, dass der Körper sich nicht mehr ausreichend oder gar nicht auf innere und äußere Reize einstellen kann. Der Körper befindet sich in einer solchen Situation in einer vom Sympathikus dominierten Ausgangslage (Anspannung, Kampf, Flucht) und der Parasympathikus (Entspannung, Erholung, Regeneration) zumindest teilweise in einer Starre.

Je größer die Variabilität im Herzrhythmus gemessen wird, umso stärker ist der Parasympathikus (Entspannung, Erholung, Regeneration) aktiv.

Je weniger Variabilität vorhanden ist, umso stärker ist der Sympathikus (Anspannung, Kampf, Flucht) aktiv.

Die HRV Analyse (Messung der Schwankungen der Herzschlagfolge, Herzratenvariabilität) wird Ruhezustand und in sitzender Position durchgeführt. Sie sollte daher idealerweise einen Parasympathikus aufzeigen, der aktiver ist als der Sympathikus, weil diese Messsituation keine Kampf und Fluchtsituation widerspiegelt.

Zeigt die Messung ein Überwiegen des Sympathikus an, ist die Frage, wie stark sich das Überwiegen des Sympathikus im vegetativen Nervensystem des Patienten bereits manifestiert hat.
Um diese Frage zu beantworten wird direkt im Anschluss an die erste Messung eine zweite Messung unter getakteter Atmung durchgeführt. Das VNS Analyse-Gerät zeigt dem Patienten an, wann und wie lange er ein- und ausatmen soll.
Der ideale Takt ist 4 Sekunden einatmen und 6 Sekunden ausatmen.
Für COPD und Asthma Patienten gibt es aber auch 2 weitere Atemtakte, die etwas schneller sind.

Durch die getaktete Atmung sollte der Parasympathikus stimuliert, die Variabilität erhöht und die Aktivität des Sympathikus gebremst werden.
Wenn die Zweitmessung diese Verbesserung aufweist, ist die Steuerung und Regulation noch nicht nachhaltig gestört.
Anhand des Messergebnisses ist erkennbar, welchen Einfluss eine Atemtherapie auf seine Regulationsfähigkeit hat.

Sollte sich durch die Atmung keine oder nur wenig Verbesserung der vegetativen Regulation zeigen, kann davon ausgegangen werden, dass die Regulation nachhaltig gestört ist oder sich der Patient bereits in einer Regulationsstarre befindet.

Die Atmung als alleinige Therapie ist in diesem Fall nicht sinnvoll.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer VNS-Analyse?

Dauerhafte Regulationsstörungen des VNS führen in der Regel nach ein bis zwei Jahren zu Organ- oder Funktionsstörungen im Organismus. Aus dem reaktiv erhöhten Blutdruck wird eine Bluthochdruckerkrankung, aus dem Druckgefühl im Oberbauch entsteht eine chronische Magenschleimhautentzündung, aus der nervlichen Überbeanspruchung entwickelt sich ein Burn-out-Syndrom oder eine manifeste Depression usw.

Daher kommt der VNS-Analyse vor allem im Rahmen der Vorsorge eine wichtige Bedeutung zu. Es können mit der VNS-Analyse Regulationsstörungen erkannt und daher auch ursächlich behandelt werden, bevor Funktionsstörungen auftreten.
Die VNS-Analyse gehört also sinnvollerweise zu einer umfassenden Vorsorgeuntersuchung dazu.

Darüber hinaus bietet die VNS-Analyse gerade Patienten mit bereits bestehendem Burn-out-Syndrom und anderen psychovegetativen Erkrankungen erstmalig die Möglichkeit, überhaupt einen objektivierbaren (d. h. messbaren) Parameter für ihr Krankheitsgeschehen bestimmen zu lassen. Ebenso lässt sich bei diesen Patienten der Gesundungsprozess unter einer erfolgreichen Therapie durch Kontrollmessungen dokumentieren.

Auch bei anderen chronischen Erkrankungen kann durch die VNS-Analyse bestimmt werden, inwieweit z. B. die aktuelle Therapie zu einem ausgeglichenen VNS führt oder ob noch Therapieoptimierungen notwendig sind. So ist beispielsweise die Wahl eines bestimmten Blutdruckmittels abhängig davon, ob der Sympathikus noch überaktiv ist oder nicht.

Bei allen chronischen Erkrankungen sollte mindestens einmal jährlich eine VNS-Analyse durchgeführt werden, bei Auffälligkeiten natürlich auch öfter.

Wissenschaftliche Basis der HRV-Herzfrequenzvariabilität
Zur Vermeidung von Fehleinschätzungen der verschiedenen Parameter wurden 1996 Richtlinien festgelegt zur Durchführung und Interpretation von VNS-Analysen (HRV Messungen) durch die:
• Task Force of the European Society of Cardiology
• North American Society of Pacing and Electrophysiology
Task Force of the European Society of Cardiology and North American Society of Pacing and Electrophysiology. Heart rate variability. Standards of measurement, physiologic interpretation, and clinical use. Circulation 1996; 93:1043-1065

VNS-Analyse und HRV-Analyse – Evidenzbasierte Diagnostik
• Seit Juli 2011 ist die HRV/VNS Analyse Bestandteil im Curriculum Spezielle Schmerztherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover
• Seit August 2011 aufgenommen in die evidenzbasierten nationalen Versorgungsleitlinien als Basisdiagnostik und als weiterführende Diagnostik
• aufgenommen in den Leitlinien der deutschen Diabetesgesellschaft
• aufgenommen in den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM)
• Empfehlung vom Berufsverband deutscher Internisten (BDI) vom 19.08.2010
• Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer und des BDI (GOÄ 652)
Über 17.000 Studien weltweit belegen derzeit den Nutzen der VNS/HRV Diagnostik für die verschiedensten Fachbereiche und Indikationen